High Need Babys

High Need Baby und Neurodivergenz

Ich habe selber drei High Need Babys gehabt. In verschiedenen Intensitäten, aber alle nach Definition von Sears High Need. Zwei Kinder davon sich ganz sicher im Spektrum und haben zusätzlich ADHS/ADS, das Dritte ist definitiv Hochsensibel, ist aber noch zu klein für eine Diagnostik. Für mich, passen Sears Kriterien sehr gut zum neurodiversen Spektrum (Autismus/AD(H)S und Hochsensibilität) Leider habe ich bisher keine großen Studien zu diesem Thema gefunden. Ich hoffe, dass in den nächsten Jahren dort, noch etwas passieren wird. Für mich liegt ein Zusammenhang ziemlich nah und deckt sich auch mit den Erfahrungen, anderer Eltern von neurodivergenten Kindern.

Die Kriterien von Sears entsprechen, vielen ND Kindern auch noch, wenn sie schon wesentlich älter sind. Sicherlich, passt nicht jeder Punkt, auf jedes ND Kind, aber im folgenden werde ich die Kriterien einzeln , mit meinen privaten und beruflichen Erfahrungen vergleichen. Wenn die Forschung in diesem Bereich mehr machen würde und tatsächlich einen Zusammenhang finden würde, wäre das ein gewaltiger Fortschritt für die Frühförderung und entwicklungsgerechte Förderung und Behandlung von ND Kindern. Die Eltern könnten von Anfang an im Umgang mit ihrem Baby ausgebildet werden und Förderungen könnten gezielt eingesetzt werden. Dies würde für weniger Leid bei vielen betroffenen Babys und Kindern führen.

Wichtig zu den Punkten ist, dass der Vergleich nur wirklich gemacht werden kann, bei Babys, die nicht durch Schlafprogramme oder Erziehungsmaßnahmen konditioniert wurden. Ein Baby, dessen Bedürfnisse nicht wahrgenommen werden, resigniert und passt sich an um zu überleben. Wenn mein Schreien nicht gehört wird, schreie ich nicht mehr. Wenn meine Zeichen nicht gedeutet werden, zeige ich sie nicht mehr. Wenn mein Leid nicht gesehen wird, ziehe ich mich zurück. Dann ist ein Vergleich sehr schwierig, denn das Baby hat aufgehört, sich so zu verhalten, wie es normalerweise würde. Wenn ich von Baby rede, meine ich vor allem, die ersten 18 Monate. Das ist der Zeitpunkt, wann ein Baby wirklich so ausgereift ist, um ein Kleinkind zu sein, auch wenn es offiziell mit 12 Monaten ein Kleinkind ist.

Kriterien für High Need Babys
Nach Dr. William Sears

  1. Intense (intensiv)
  2. Hyperactive (hyperaktiv)
  3. Draining (anstrengend)
  4. Feeds frequently (häufiges füttern)
  5. Demanding (fordernd)
  6. Awakes frequently (häufiger Aufwachen)
  7. Unsatisfied (unzufrieden)
  8. Unpredictable (unberechenbar)
  9. Super-sensitiv (Hochsensibel)
  10. Can”t pur Baby down (nicht ablesbar)
  11. Not a self soother (schläft nicht alleine)
  12. Separation sensitive (trennungsempfindlich)

1. Intense (Intensiv)
High Need Babys, machen alles intensiver als andere Babys. Sie schreien intensiver, freuen sich intensiver, essen intensiver und verleihen all ihren Emotionen einfach mehr Intensität. Das ist bei neurodiversen Kindern und Erwachsenen auch so. Mein Mann sagt zB. über sich er wäre ein Intensivgenießer, weil er alles, was er gerne
macht, mit besonders viel Leidenschaft genießt. Ich selber habe das mit Gefühlen. Alle Gefühle scheinen heftiger zu sein, als bei anderen. So ist es auch bei meinen Kindern. Schon immer, haben sie ihre Bedürfnissen, besonders intensiv mitgeteilt.
Aber auch in Ihren Eigenschaften, waren sie besonders intensiv. Zwei meiner Kinder sind ganz besonders kuschelig und anhänglich. Viel mehr, als ich das von anderen Kindern kenne. Fast schon erstickend, wenn auch schön. Ich habe, das auch schon von anderen Eltern und selbst betroffenen mehrfach gehört


2. Hyperactive (Hyperaktiv)
Gehirn und Körper von High Need Babys, sind immer unruhig. Sie
kommen mental, aber auch körperlich nur schwer zur Ruhe.
Auch das kenne ich von meinen Kindern. Als Baby, aber auch noch
jetzt, sind sie körperlich sehr aktiv. Mein ältester Sohn ist ein
Paradebeispiel für Körperliche und mentale Hyperaktivität. Er kann
absolut nicht still sitzen und auch wenn er sitzt, müssen seine Hände
immer beschäftigt sein. Essen ist nur mit Tablet möglich, da er es
sonst nicht schafft sitzen zu bleiben. Die anderen sind nicht ganz so
extrem, aber schon deutlich aktiver als andere. Die beiden Kleinen
scheinen aber die größte Hyperaktivität im Kopf zu haben. Ich selber
habe auch ein hyperaktives Gehirn. Ich kann nicht aufhören denken.
Es fällt mir aber auch sehr schwer, einen Film am Stück zu gucken,
ich muss immer zwischendurch aufstehen. Werbepausen, waren für
mich dadurch früher eher Segen als Fluch.


3. Draining (anstrengend)
Es fällt mir etwas schwer, weil dieses Wort so negativ besetzt ist,
aber es soll beschreiben, dass es für Eltern von HN Babys
besonders anstrengend ist, ihre Babys zufrieden zu stellen und es
sehr viel Kraft kostet. Der Akku ist leer und sie müssen trotzdem
funktionieren. So geht es mir mit meinen Kindern auch. Sie sind
sehr anspruchvoll und fordernd mit ihren Bedürfnissen. Dadurch,
dass sie alles so intensiv fühlen, gibt es kaum Möglichkeit damit
zu warten. Ich weiß, sie brauchen es und es ist für ihre psychische
Gesundheit, enorm wichtig, aber manchmal bin ich richtig
verzweifelt. Auch ich kenne es von mir, dass ich sehr fordernd,
unzufrieden und anstrengend bin. Das bekommt besonders mein
Mann zu spüren. Er liebt mich zum Glück, genau wie ich bin und
fängt mich auf, wenn ich es brauche. Würde ich mich bei
anderen nicht stark maskieren, würden sie mich wohl auch
anstrengend finden.


4. Frequently feeding (häufiges Füttern)
Vor allem gestillte High Need Babys, wollen öfter an die Brust als
andere. Nicht nur zur Nahrungsaufnahme, sondern wegen der
Beruhigung und Nähe. Dies kann man auf Flaschenkinder in leicht
anderer Form auch übertragen. Aber auch im Beikostalter und später
brauchen, sie öfter Nahrung als andere KInder. Ich beobachte bei
meinen Kindern, dass sie auch emotional stark angespannt sind,
wenn sie nicht regelmäßig essen. Auch zwischendurch. Meine
Stillkinder waren Langzeitstillkinder, oder stillen aktuell noch. Mein
Flaschenkind, hat sehr lange noch abends eine Flasche gebraucht.
Besonders ein es meiner Kinder hat sehr lange nachts alle 30min
gestillt und tagsüber auch sehr häufig. Auch mein Mann und ich
merken, dass wir darauf achten müssen regelmäßig zu essen. Sonst
fällt die emotionale Regulation noch schwerer und auch die anderen
Symptome wie Vergesslichkeit und Exekutive Dysfunktion werden
schlimmer


5. Demanding (fordernd)
Wohl eine, der größten Schnittstellen von High Need und Neurodiversität.
Bedürfnisse, ,müssen sofort erfüllt werden und auch Alternativen sind nicht
erwünscht. Meine Tochter akzeptiert zB. Häufig einzig und alleine mich und
nichtmal Papa darf trösten. Crad abends und morgens ist, das im Alltag ein
riesiges Problem. Auch bei meinem Ältesten Kind, darf es oft nur ich sein.
Warten ist für alle Kinder hier, sehr schwierig, denn ihre Bedürfnisse sind so
dringend und müssen unbedingt sofort erfüllt werden. Auch dort, gibt es wenig
Flexibilität. Mein Mittleres Kind, ist generell ein sehr zugänglicheres Kind, aber
wenn sein Bedürfnis stark ist, gibt es einfach keine Alternativen und
Kompromisse. Es wirkt schon fast schmerzvoll, wenn ich das Bedürfnis aus irgendeinem Grund nicht erfüllen kann. Ich glaube dieser Punkt, ist der Punkt, der in der Gesellschaft am meisten aneckt. Die Kinder werden als unerzogen
oder verwöhnt empfunden, weil eine eine Tugend zu sein scheint, Geduldig zu
sein. Eltern werden dann von außen verunsichert und führen Machtkämpfe mit
dem Kind, obwohl es in diesem Moment vielleicht gar nicht anders kann. Das
beginnt tragischerweise oft schon im Babyalter.


6.Awakes frequently (häufiges Aufwachen)
Über dieses Thema, könnte ich ein Buch schreiben. Ich kenne es von mir selber, denn Ein-und vor allem Durchschlafen, ist schon immer ein Kampf. Ich kann mich an keine Zeit erinnern, wo ich wirklich gut geschlafen habe. Selbst heute schläft keines meiner Kinder verlässlich durch (10,4,1 Jahre) Mein mittleres Kind war am extremsten. Teilweise wurde er nachts alle 15min wach. Mit einem Jahr waren wir dann bei 30min und erst mit 2,5 Jahren, ist er nur noch kurz zum stillen, zweimal die Nacht wachgeworden. Alleine hat keines meiner Kinder geschlafen. Selbst abends, wenn ich noch etwas im Haushalt gemacht habe, wurden die Kinder etwa alle 20-30min wach, bis uch im Bett war- Alle Kinder brauchten nachts auch direkten Körperkontakt. Bei zwei Kindern durfte ich mich häufig nicht mal umdrehen, weil sie so dicht bei mir schlafen mussten bzw. müssen. Ich selber war und bin teilweise genauso. Ich denke, dass es daran liegt, dass neurodivergente Menschen und vor allem Kinder oft Co Reguliert werden müssen. Klar ist das bei neurotypischen Kindern auch so, aber in diesem Ausmaß eben nicht. Ich habe sogar das Gefühl, als Erwachsener Mensch,
bei besonders heftigen Emotionen von meiner Bezugsperson Regulierung zu brauchen. Im Bezug auf Schlaf ist das natürlich für die Eltern sehr kräftezehrend und belastend, aber es lohnt sich und wird von Jahr zu Jahr etwas besser.


7.Unsatisfied (unzufrieden)
Auch dies geht bei meinen neurodivergenten Kindern und mir, weit über das
Babyalter hinaus. Nur eines ist, solange seine Bedürfnisse befriedigt sind, ein
absolut unkomplizierter und zufriedener Mensch. Bei den anderen, muss ich
mich wirklich auf sie einlassen und sehr aufmerksam sein, um heraus zu
finden, was hilft. Auch mein großes Kind, was sich sehr gut verbal äußern
kann, weiß oft gar nicht, warum er sich grad so unzufrieden fühlt. Manchmal
reicht es einfach Nähe zu geben und in Beziehung zu bleiben, aber oft
brauche ich auch Geduld und viel Fantasie, damit es wieder in Ordnung ist.
Man wird zum Meister der Kreativität und verrückten Ideen, Ich selber habe
auch manchmal dieses quälende Gefühl der Unzufriedenheit. Egal wie sehr ich versuche, dem Gefühl auf dem Grund zu gehen und mich wieder in einen
besseren Zustand zu bringen, es mag nicht funktionieren. Es bleibt dann nur,
mir die Umstände möglichst unkompliziert zu machen und abzuwarten.

8. Unpredictable (unberechenbar)
Dies ist ebenfalls eine große Schnittstelle. Dinge die gestern funktioniert
haben, sind heute völlig wirkungslos. Wenn gestern die Toniebox gegen die
abendliche Angst geholfen hat, ist es morgen völlig falsch. Da muss dann
ein Anti Monsterspray gemixt werden, was dann aber nach 5 Tagen, auch
nicht mehr geht. Das Safe Food von gestern, ist heute nicht mehr
genießbar. Von einem Tag zum anderen, ist alles ganz anders und hilft
nicht mehr. Das Spielzeug, was gestern noch das beste der Welt war, wird
heute nicht mehr angeschaut. Es erfordert eine Unmenge an Flexibilität
und Ideenreichtum, wie im letzten Punkt, um darauf zu reagieren. Ich
musste mich lange ausprobieren und mich in Akzeptanz üben um
bedürfnisorientiert zu reagieren denn es ist wirklich frustrierend. Aber
irgendwann, hat man als Eltern, den Dreh raus, wenn man sich auf das
Kind einlasen kann.

9. Super-sensitiv (Hochsensibel)
Dies ist für mich, der Punkt, der ganz klar, auf einen Zusammenhang hindeutet. Die große Reizoffenheit und das starke Bedürfnis nach einer vertrauten Umgebung sind ganz besonders ausgeprägt. Auch lange über das Babyalter hinaus. Meinen Kindern, macht es große Probleme in fremder Umgebung zu übernachten. Mir ebenfalls…Lautstärke, starke Gerüche, grelle Lichter und viele Texturen machen uns
Probleme. Grad, wenn wir der Situation und den Reizen länger ausgesetzt werden, löst es erst Unbehagen, dann aber große Angst aus. Bei Babys merkt man dies oft abends, wenn sie besonders viel schreien. Bei größeren Kindern, wenn sie nicht
einschlafen können, oder ängstlich sind. Reizoffenheit, ist ein Symptom, was wohl alle Neurodivergenzen gemeinsam haben.


10. Cant put Baby down (nicht ablegbar)
Das ist natürlich nicht wörtlich auf größere Kinder anzuwenden, aber in anderer Form. Meine Kinder, wollen so gut wie nie für mich alleine sein. Deswegen
ist das Wohnzimmer, auch der Dreh und Angelpunkt unserer Wohnung. Die Kinder beschäftigen sich durchaus auch alleine, aber in unserer Nähe. Bei
emotionaler Anspannung jeglicher Art, oder Veränderungen, mögen sie dann oft, nicht mal alleine Zähne putzen oder ins Bad. Es muss immer jemand in
der Nähe sein, weil sie Sicherheit brauchen. Bei der 1 jährigen, ist es aber tatsächlich noch oft so, dass ich sie nicht vom Arm setzen kann, weil sie ständigen
Kontakt braucht, wie als Baby schon.


11. Nota Self soother (schläft nicht alleine ein)
Das ist ein Punkt, den ich grad bei Babys und Kindern bis mindestens 5, als
vollkommen normal ansehe. Der Unterschied, liegt oft eher in der Intensität
der Einschlafbegleitung. Beim Großen reichte/reicht es einfach da zu sein.
Der Mittlere wurde von meinem Mann in den Schlaf getragen mit Musik,
Singen und Tanzen. Die Räubertochter, will vorher Fotos anschauen und
Bücher lesen und schläft dann eng angekuschelt bei Schlafliedern ein. Ich
empfinde diesen Punkt, aber als ziemlich Allgemeingültig, denn fast alle
Kinder, werden lieber in den Schlaf begleitet. Eventuell liegt, dann der
Unterschied, dann eher dort, dass viele neurodivergente Kinder bis weit über
das Kindergartenalter hinaus Einschlafbegleitung benötigen.

12. Separation sensitive (Trennungsempfindlich)
Bisher hat es keiner meiner Kinder geschafft, direkt mit 3 dauerhaft im
Kindergarten zu bleiben. Beim ersten, musste ich ihn nach 3 Monaten und
einer (eigentlich) gelingenden Eingewöhnung, wegen starken
körperlichen Beschwerden, wie Bauchschmerzen und extremen
Meltdown nach dem Kindergarten, wieder abmelden. Kind 2 kam mit 3,5
Jahren in die Kita, hatte dort aber arge Probleme mit der Lautstärke und
war zuhaue dann sehr ängstlich. Wurde aber wegen eines Umzugs wieder
abgemeldet. Mit 5 und 4,5 ging es dann aber besser. Kind 3 ist noch nicht
in der Kita, aber es gibt nur 2 Menschen, die sie überhaupt nehmen
können. Mein Mann und meine Mutter. Auch dies, ging nur, nach langer
Übung und sehr liebevoller Begleitung, von den Beiden. Morgens und
Abends, ist aber nicht mal das möglich. Ich selber habe auch sehr große
Probleme damit von meinem Mann getrennt zu sein. Der Gedanke an ein
Wochenende ohne ihn, ist sehr unangenehm


Natürlich ist jeder Mensch individuell zu sehen. Nicht jeder neurodivergente Mensch,
hat all diese Probleme, noch im Kinder oder Erwachsenenalter. Nach allem, was ich in
Gruppen, früher auf der Arbeit und in meiner Familie gesehen, habe ist es aber sehr häufig so, dass alle oder nahezu alle Punkte, auch später, in anderer Form noch vorhanden sind. Ich würde mir sehr wünschen, dass es mehr
Forschung in diese Richtung gäbe und vor allem mehr Aufklärung. So würden Nigh Need Babys/ Neurodivergente Babys, schon sehr früh so begleitet werden können, wie sie es brauchen.

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