Neurodivergenz

So viele Bedürfnisse, so wenig Kapazitäten

Es gibt Tage, da stoße ich bei diesem Thema absolut an meine Grenzen. 5 Menschen im Haushalt und alle haben verschiedene Bedürfnisse, die alle ihren Raum haben müssen. Soweit so gut. Das ist in allen Familien so. Was nur, wenn jeder diese Menschen, große Schwierigkeiten, damit haben ihre Bedürfnisse zurück zu stecken, oder zu warten? Wir Eltern können das bis zu einem gewissen Punkt, noch ziemlich gut. Bei den Kindern, ist es natürlich generell auch abhängig vom Alter. Meine 1-jährige Tochter, kann sich noch nicht ausreichend mitteilen oder warten, bis sie dran ist. Mein Ältestes Kind kann das aber kaum mehr als sie. Seine Bedürfnisse sind so stark, dass es für ihn kaum erträglich ist, wenn diese warten müssen. Sei es Hunger, Durst, Schlaf, Zuwendung oder Hilfe jeglicher Art. Kind 2 kann, das etwas besser, ist aber eben auch erst 4 und hat dementsprechend nicht unendlich Geduld. Wie nun also handeln, wenn ich alleine mit den Kindern bin und alle wollen etwas? In der Medizin würde man hier von einer Triage sprechen. Macht im generellen auch bei Bedürfnissen Sinn, aber eben auch nur bedingt. Am Ende ist sonst immer einer, der am besten zurückstecken kann und irgendwann vergisst, dass seine Bedürfnisse auch wichtig sind. Also macht es Sinn Bedürfnisse selber nach Dringlichkeit zu ordnen.

Ich versuche, die Bedürfnisse, nach dieser Reihenfolge zu sortieren und dann zu erfüllen.

  1. Die Bedürfnisse aller erkennen und benennen.
  2. Bedürfnisse mit der Bedürfnistriage nach Dringlichkeit ordnen und dabei Alter, Ressourcen und Vorrausetzungen des Kindes berücksichtigen. Außerdem ist es auch wichtig, wie oft ein Kind schon seine Bedürfnisse zurückgestellt hat. Manche Kinder, können besser als andere zurückstecken, dürfen dabei aber nicht vergessen werden. Deswegen fällt dieser Faktor, immer auch in meine Einschätzung mit ein.
  3. Bedürfnis erfüllen oder bei weniger akuten bzw gefühlsbedingten Bedürfnissen, einen Kompromiss finden, der ggf. für alle schon mal einen Teil ihres Bedürfnisses befriedigt.

Bitte denkt daran, dass dies nur Beispiele aus unserem Alltag sind. Bei euren Kindern, können die Prioritäten komplett anders sein. Selbst bei uns variieren die Dringlichkeiten häufig.

Neben den Kindern, haben auch wir Bedürfnisse. Leider sieht die Realität oft so aus, dass wir diese immer wieder nach hinten schieben, weil die der Kinder wichtiger zu sein scheinen. Und dann passiert etwas, was wir eigentlich nicht wollten. Wir sind gereizt, ungeduldig, aggressiv und mental
Immer weniger stabil. Wir meckern, werden laut und sagen Dinge, die wir niemals sagen wollten und unter normalen Umständen auch niemals würden. Das passiert, wenn unsere Bedürfnisse zu lange nicht erfüllt werden. Irgendwann wollen wir unterbewusst, dass doch verdammt nochmals endlich jemand unsere Bedürfnisse erfüllen soll bzw. uns den Raum dafür geben. Deswegen…wenn ihr irgendwie du Chance habt, holt euch Hilfe. Baut euch ein soziales Netz auf, nehmt das andere Elternteil in Verantwortung. Ihr seid wichtig und nur wenn ihr eure Bedürfnisse wahrnehmt und es euch gut geht, könnt ihr auch das Elternteil sein, das ihr sein wollt.

 

Die Abwärtsspirale

 

Eltern gehen immer wieder über ihre Bedürfnisse und Grenzen

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Sie werden immer gereizter und ungeduldiger. Sie schreien oder schimpfen, obwohl sie es gar nicht wollen.

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Die Kinder sind verunsichert und fordern, deswegen noch mehr Zeit und Nähe ihrer Eltern

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Die Eltern werden immer erschöpfter und ausgebrannter und zeigen noch mehr negatives Verhalten, ihren Kindern gegenüber. Die Kinder ebenso. Die Spirale dreht sich immer weiter.

 

Was ist nun, wenn ich als Elternteil keine Möglichkeit habe, mit Auszeiten zu verschaffen um mich auch um meine Bedürfnisse zu kümmern? Wenn ich zum Beispiel alleinerziehend bin, keine Familie habe, mein Kind sich nicht von anderem Betreuen lässt, ich kein soziales Netz habe und keine externe Hilfe? Das ist für alle Eltern, vor allem aber für neurodivergente Eltern fatal. Irgendwann ist der Akku aufgebraucht, ein Burnout oder autistisches Burnout droht und dann geht gar nichts mehr. Du bist gereizt, wirst schnell laut, drohst oder strafst deine Kinder vielleicht sogar obwohl du dies gar nicht möchtest. Das sind absolut Warnsignale, die du ernst nehmen solltest. Auf den folgenden Bildern, möchte ich einige Möglichkeiten aufzeigen, die dir bleiben, wenn du keine Familie oder ein soziales Netz hast. Ich spreche aus Erfahrung. Ihr seid wichtig und ihr braucht eure Kraft um gute Eltern zu sein, die selbst auch glücklich sind

 

Möglichkeiten für Selbstfürsorge

Der Partner

Dies, sollte selbstverständlich sein, ist es aber oft nicht. Es ist wichtig, dass andere Elternteil mit in die Verantwortung zu ziehen. Auch, wenn das Elternteil vielleicht viele Stunden arbeitet, kann die Betreuung der Kinder nicht an einem hängen bleiben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es manchmal auch einfach daran liegt, dass der andere es sich nicht zutraut. Der Andere ist vielleicht selten mit Boden Kinder alleine und weiß nicht, wie er in bestimmten Situationen reagieren soll, oder die Bindung ist nicht groß genug. Das kann sich aber ändern, wenn man dem anderen das Gefühl gibt, dass er es schaffen kann und dass man ihm vertraut. Es ist wichtig, für die ganze Familie, dass alle gleichermaßen anpacken und auch entlastet werden und für die Beziehungen ist es noch viel besser.

 

Mit anderen Eltern vernetzen

Dies ist so ein Punkt, der wohl für manch anderen Elternteil genauso schwierig wie für mich ist. Ich kann das ganz schlecht, aber ich weiß es würde helfen. Bring Gemeinschaften zum Kindergarten oder zur Schule bilden, Betreuung bei Ausfall oder einfach mal gegenseitig ein Kind nehmen, wenn es jemand nicht zum Abholen schafft. Dies erfordert allerdings die Fähigkeit sozial zu interagieren und dies auch regelmäßig aushalten zu können. Ich würde mir das wünschen, schaffe es aber nicht in Kontakt zu treten und traue mich auch nicht meine Kinder anderen ‘zu zumuten da sie einen hohen Betreuungsaufwand haben. Aber das muss gar kein Hindernis sein, denn viele Menschen sind viel toleranter als wir denken.

 

Freunde und Familie

Auch wenn ich weiß, dass es genau wie bei uns, bei vielen leider nicht möglich ist, kann ich nur dazu ermutigen, auch im Kreis von Familie, Bekannten und Freunden nach Hilfe zu fragen. Selbst, wenn euer Kind sich nicht betreuen lässt, können sie bestimmt helfen. Vielleicht ein Einkauf, eine Besorgung, einen Korb Wäsche waschen oder Organisation von Geburtstagen. Ich weiß, es fällt schwer, aber auch das entlastet zusätzlich.

 

Professionelle Hilfe

Wenn dein Kind einen besonderen pflegerischen Mehraufwand hat (auch bei Autismus und ADHS) kannst du Pflegegeld beantragen. Das kannst du zum Beispiel für entlastende Maßnahmen, wie professionelle Betreuung, spezielle Freizeitangebote, Haushaltshilfe oder gut geschulte Babysitter investieren. Wenn ihr das Geld aber braucht, weil Beispielweise ein Elternteil nicht arbeiten kann, gibt es noch den Entlastungsbetrag von 125€ und die Verhinderungspflege, die genau für diese Dinge genutzt werden können. Aber auch das Jugendamt bietet speziell geschulte Familienhilfe und Betreuungsangebote. Auch für Kinder ohne besonderen Betreuungsaufwand. Auch Freizeitangebote und Babysitter sind auf eigene Kosten möglich.

 

Medien

Ja…ich weiß hier werde ich anecken, aber ich finde es ist vollkommen legitim, den Nachwuchs (Grad den mit hohen Betreuungsaufwand) auch mal ans Tablet oder die Switch zu setzen, um in Ruhe einen Kaffee zu trinken und kurz den Akku zu laden. Oder sich mit den Kindern, vor den TV zu setzen, zu kuscheln und einfach mal kurz die Augen zu schließen. Kinder haben einfach viel mehr von einem entspannten Elternteil, als von einem der ständig gereizt ist und laut wird. WEG MIT DEM SCHLECHTEN GEWISSEN

 

Eins ist mir am Ende sehr wichtig zu sagen. Wenn das alles eure Akkus nicht aufladen kann, oder ihr wohl möglich gar keine Kraft mehr mobilisieren könnt, euch darum zu kümmern und nichts zu helfen scheint, sucht euch professionelle Hilfe. Sprecht mit einem Therapeuten, geht in eine Tagesklinik, was immer euch hilft, aber versucht nicht es dauerhaft auszuhalten. Es wird nicht von alleine besser. Es ist total in Ordnung und absolut kein Zeichen von Schwäche, sich Hilfe zu holen:⇓

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