Neurodivergenz

Im Stich gelassen

Ich bin müde. Wirklich müde, aus meinem innersten heraus. Ich bin müde zu kämpfen und müde über meine Grenzen zu gehen, bis es nicht mehr geht.
Mein Sohn ist der der ersten Klasse diagnostiziert. Wir haben gleich eine Schulbegleitung und eine Autismus spezifische Förderung beantragt- Bis wir nach Monaten endlich einen Schulbegleiter fanden, begleitete ich ihn, samt Baby täglich in die Schule, damit er teilnehmen kann. Bei der Autismus spezifischen Förderung, wurde er trotz mehrfachen bitte, nicht auf die Liste gesetzt. Ist bei einigen Anbietern, aber leider nur übers Jugendamt möglich. Dann kam Corona und zusätzlich starb mein Vater, meine Mutter war zu diesem Zeitpunkt mehr tot als lebendig. Ich würde mit Kind 3 schwanger und der Schulbegleiter kündigte seine Stelle. Da mein Sohn hoch Risikopatient ist, musste er ab dann auch zuhause unterrichtet werden. Ich war also schwanger mit 2 Kinder Vollzeit zuhause, einem im Homeschooling, der andere High Need und meine Mutter ein Pflegefall.

Durch die veränderte Routine, wurde mein Sohn extrem verunsichert und teilweise auch richtig aggressiv. Wir mussten, dann auch noch umziehen, um meine Mutter näher zu haben und weil wir mehr Platz brauchten. Bis dahin war er in der 3. Klasse und immer noch keine Förderung und auch kein Schulbegleiter.

Wir zogen in einen anderen Landkreis und beantragten wieder alles von vorne. Lange dauerte die Übergabe, lange die Bewilligung.  Zwischendurch lag ich wegen der Schwangerschaft mehrfach im Krankenhaus und bekam das Baby auch irgendwann.  Nach 1,5 Jahren fand sich dann doch eine Schulbegleitung. Er könnte erst zuhause unterrichtet werden und bald auch wieder zur Schule gehen. Das ging, aber diesmal deutlich schlechter, nach der langen Zeit zuhause. Und der Schulweg von jeweils 30min machte uns auch zunehmend zu schaffen. Nachdem wir dann wieder an unseren ursprünglichen Wohnort zurückzogen, war es dann vollkommen zu ende. Das war einfach zu viel für ihn. Die Angst in der Schwangerschaft um mich, die zwei Umzüge, Opas Tod und Omas Krankheit, waren zu viel für ihn. Der Schulbegleiter versuchte ihn dann noch hier zu unterrichten, aber war dieser Aufgabe einfach nicht gewachsen. Das war im Februar 2022. Mein Sohn ist immer noch zuhause. Jetzt in der 4. Klasse (wäre in der 5. Aber wir haben ein Jahr freiwillig wegen Corona widerholt) Seit einer Woche steht er ENDLICH auf der Warteliste für die Förderung, die ihm Jahre vorher schon so viel gebracht hätte. Wir wären vielleicht, an einem ganz anderen Punkt. Ab Dezember, hat er auch eine Schulbegleitung und ich hoffe und Bange, dass es klappt. Wir sind diese Jahre, durch die Hölle gegangen. Ich den ganzen Tag alleine, mit den Jungs, dem (sehr intensiven) High Need Baby und meiner Pflegebedürftigen Mutter. Mein Mann auf der Arbeit um uns das Leben irgendwie zu finanzieren, mit ständigen schlechten Gewissen, weil ich so gelitten habe. (ich hatte zusätzlich starke Ängste, weil ich mit dem Umzug nicht zurechtkam) Aber wisst ihr was mir in den ganzen Jahren fehlte? Hilfe, Unterstützung, praktische Ratschläge. Jemand an meiner Seite, der mich an die Hand nimmt und mir zeigt, was mir zu steht, der mit mir kämpft, wenn ich grad nicht mehr kann. Ich möchte hier kein Mitleid, aber durch meine Geschichte zeigen, wie es Tausenden Familien hier geht. Wie sie alleine gelassen werden, mit allem. Ich stecke seit nun fast 4 Jahren in einem starken autistischen Burnout. Meine ADHS Symptome, sind schlimmer, als jemals zuvor. Ich kann sie kaum noch kompensieren. Papierkram und bei der Sache bleiben zum Kämpfen, fällt mir durch mein ADHS besonders schwer und trotzdem muss ich es für mein Kind. Viele Eltern neurodiverser Kinder sind selbst betroffen.

Meine 2 jüngeren Kinder, sind noch klein. Sie sind ebenfalls HN und zum Teil, schon in der Autismus Diagnostik. Der Kampf wird also noch zusätzlich dort los gehen.

Ich könnte schreien und weinen und würde am liebsten aufgeben. Irgendwo hin, wo diese Verantwortung nicht auf meinen Schultern liegt, aber bitte mit meiner Familie, die sind nicht schuld daran.

Pflegende Eltern werden in Deutschland mit ihren Sorgen alleine gelassen. Niemand zeigt ihnen ihre Rechte, und wenn wir sie doch kennen, dann werden uns die größten Steine in den Weg gelegt, die man nur finden kann.

Ich bin müde, wirklich müde, aber möchte euch meine Geschichte und den Kampf mit den Behörden erzählen und ermutige euch, auch laut zu werden. Ungerechtigkeiten auszusprechen.

Inklusion? Das ist doch ein Witz. Wird nicht praktiziert, höchstens auf dem Papier.

Es muss sich etwas ändern und das schnell. Wir brauchen Hilfen, Barrierefrei und auch finanzielle Unterstützung. Bei vielen, muss Beispielsweise. ein Elternteil zuhause bleiben, weil die Kinder gar nicht oder nur kurz fremdbetreut werden können. Wir brauchen Entlastung, bevor auch wir unsere Gesundheit verlieren und am Ende nicht mehr in der Lage sind Unsere geliebten Kinder zu Pflegen.

Durch diese Vorgehensweise der Behörden, geraten wir Eltern, in eine ziemlich blöde Situation.

Eine Situation, die bei vielen am Ende, sogar an der Existent nagt.

Viele neurodivergente Kinder und/oder Kinder mit Behinderung, können nicht lange, oder sogar gar nicht fremd betreut werden. Das hat oft Folgen. Einmal das offensichtliche. Ein Elternteil kann nicht arbeiten gehen und wenn es nur ein Elternteil gibt, kann niemand arbeiten gehen. Das klappt so lange man noch genug Ersparnisse hat, oder ein Elternteil gut verdient, dass es für alle reicht. Aber jetzt in der Zeit, wo die Preise explodieren, ist es ein echtes Problem. Da reicht, dann ein Gehalt nicht mehr, da sind die Ersparnisse schnell weg und von Staatlichen Geldern, wollen wir nicht reden.

Und, wenn doch beide Elternteile oder das alleinerziehende Elternteil arbeiten konnte, kommt schnell ein neues Problem dazu. Burn-out, Depression, Ängste und andere psychische Krankheiten, die durch die ständige Belastung entstehen. Wir sind also nicht nur stark belastet, sondern auf gefährdet, selbst zu erkranken.

Warum werden wir Eltern, von pflegebedürftigen, neurodivergenten, Kindern mit Behinderung so im Stich gelassen? Warum grad die, die am meisten Hilfe benötigen? Warum werden die Hürden, für uns besonders schwer gemacht?

Ich habe es satt. Ich möchte, dass sich etwas verändert. Ich möchte gesehen werden-

An euch anderen pflegenden Eltern: Ihr seid soooo stark! Ihr seid so wunderbar und ihr macht das einfach klasse. Lasst uns zusammen laut werden und die Missstände sichtbar machen. Auch wir haben uns ein gutes Leben verdient. Pausen, finanzielle Mitter, Hilfen und Unterstützung.

Wir brauchen Veränderung.

 

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