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Leben ohne Filter

Damit ihr eure Kinder etwas besser verstehen könnt, beschreibe ich euch, wie ich einen Ausflug auf den Weihnachtsmarkt als selbst Betroffene erlebe. Ich glaube, dass sich viele gar nicht vorstellen können, wie belastend diese Situationen wirklich für ihr Kind sind. Deswegen hoffe ich, euch damit einen kleinen Einblick geben zu können. Ich weiß, viele Eltern hier sind auch selber betroffen, aber einige sind es nicht. Und auch für Bekannte, Verwandten und Freunde, könnte so ein Einblick in ein Leben ohne Filter helfen.

Ich gehe langsam in Richtung Markt. Höre Musik aus der Ferne, Stimmengewusel und rieche verschiedene Gerüche. Schmalzkuchenduft, mischt sich zwischen Glühweingeruch, Zigarettenqualm und den Geruch von Fischbrötchen. Es ist schwer die Gerüche zu trennen, denn für mich riecht alles gleich intensiv. Als hätte man alle Gerichte in ein einziges gepackt und unter meine Nase gehalten. Mir wird leicht übel davon, deswegen ziehe ich meinen Schal über die Nase. Ich sehe die bunten Farben und Lichter. Stände mit Kunsthandwerk, Lichterketten, Schmuck, unzähligen Süßigkeiten. Ich weiß nicht so ich hinschauen soll, denn die Lichter schmerzen mir in den Augen. Die vielen Möglichkeiten lenken mich ab und immer wieder stoße ich mit Leuten zusammen. Menschen sind überall. Es gibt keine echten Regeln, wo ich lang gehen muss oder darf. Alle gehen einfach irgendwie und ständig gerührt mich jemand. Gesichter blicken mich an. Ich kann nicht deuten, ob sie nett oder unfreundlich schauen. Und ich weiß auch nicht, wie ich selber schauen muss. Meistens lächele ich betreten.


Ich versuche alles, um nicht angerempelt oder berührt zu werden. Möchte gerne etwas anstand, nicht so nah bei anderen stehen. Nun will ich für die Kinder etwas Süßes von einer Bude kaufen. Ich weiß nicht genau, wo ich mich anstellen muss. Die Verkäuferin sagt etwas unfreundlicher, dass man sich da drüber anstellen muss. Ich fühle mich peinlich berührt und versuche ihr meine Bestellung mitzuteilen. Weiß nicht genau, ob sich mich verstanden hat und wiederhole es. Sie ist genervt, ich beschließe nicht mehr als dies zu kaufen, obwohl ich noch mehr gewollt habe.


Zu schwierig ist mir diese Konversation. Es ist sehr laut mittlerweile. Mir fällt es schwer, ihre Stimme herauszufiltern. Ich höre sie, aber verstehe nicht, was sie sagt.
Karusselmusik, Stimmen, Glocken, Klirren von Gläsern, alles hört sich an, als hätte es dieselbe Lautstärke. Alles prasselt auf mich ein. Mir wird schweindelig, alles verschwimmt und ich fühle mich von der Situation überfordert. Bekomme einen leichten Anflug von Angst. Nun. Weiß ich, dass ich wegmuss, denn sonst werde ich sehr wütend, oder bekomme Panik. Ich muss sofort weg von den Reizen.
Als wir uns vom Markt gekämpft haben, bin ich froh, wenn ich im Auto bin. Ich kann jetzt kein Radio ertragen und muss direkt nach Hause. Mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln würde ich es nicht schaffen.
Zu Hause abgekommen, muss ich mich hinlegen. Wir waren jetzt 30min dort auf dem Markt und ich bin so erschöpft, wie jemand nach einem Umzug etc.


Ich bin Erwachsen und habe gelernt mir nichts anmerken zu lassen und auf meinem Körper zu hören. Stellt euch vor, wie eure Kinder sich fühlen. Warum sie vielleicht auf einmal aggressiv, ängstlich, laut oder provokant reagieren. Schützt sie bevor es zu einem Meltdown oder Shutdown kommt, ihr Leid ist nicht übertrieben, es ist echt.

 

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