PDA

PDA und Low Demand Parenting im Alltag

PANDA im Alltag

Nachdem wir PDA und die PANDA Strategien in der Theorie angeschaut haben, schauen wir nun auf die praktische Umsetzung bzw. wie diese in unserem Alltag aussehen kann.

Zunächst ist es wichtig, dass PANDA und auch „Low Demand Parenting“, keine klassischen Erziehungsmethoden sind, sondern dass es hier auch um eine Haltung dem Kind gegenüber geht. Wer nicht vollkommen dahinter steht und es in seinem Alltag lebt, wird damit keine großen Veränderungen erleben.
Gerade PDA Kinder brauchen authentische Bezugspersonen. Mit dem Anspruch, dass das Kind danach „funktioniert“ und dass es irgendwann ein klassisches Zusammenleben als Familie, wie bei allen anderen gibt, werden am Ende alle unglücklich sein.

Zunächst macht es Sinn, sich zu überlegen, welche Regeln im Zusammenleben so wichtig sind, dafür Auseinandersetzungen und vielleicht auch Meltdowns in Kauf zu nehmen.
Und auch was euch allgemein wichtig ist, wo ihr aber bereit seit, nachzugeben, oder Kompromisse zu finden, wenn ihr merkt, dass euer Kind in einen unregulierten Zustand kommt.

Je nachdem wie sehr das Nervensystem eures Kindes schon beeinträchtigt ist, kann es notwendig sein, sehr viel der Dinge zunächst in den Hintergrund zu stellen, die euch als sehr wichtig erscheinen.

Eines der Themen ist die Körperhygiene. Ich denke, es ist klar, dass diese wichtig und unbedingt notwendig ist. Wenn ihr aber ein Kind im akuten Burnout zu Hause habt, sind nicht gewaschene Haare, oder eine Woche ohne Dusche, das kleinere Übel. 
Kinder im Burnout brauchen so wenig Aktivierung des Panikmodus wie möglich, um überhaupt wieder in einen Zustand der möglichen Kooperation zu kommen.

Und solange wir die Erwartung haben, dass es nach 1,2 oder 3 Wochen, wieder besser sein müsste, wird sich wahrscheinlich nicht viel am Zustand des Kindes tun.

Erwartungen, die wir und auch die Allgemeinheit als zumutbar empfinden, können für Kinder mit PDA schon viel zu hoch angesetzt sein.
Wenn wir beispielsweise erwarten, dass eine kleine Aufgabe wie den Tisch zu decken für ein Kind zumutbar sind, dann ist das generell bestimmt nicht falsch oder übertrieben, für ein PDA-Kind aber unter Umständen schon.

Kinder die mehrere Stunden am Tag in Schule oder Kita sind, haben häufig keine Kapazitäten zu Hause Anforderungen zu erfüllen. Auch am Wochenende kann es sein, dass das Kind die Zeit braucht um zu regenerieren.

Es klingt hart, aber Wissen über klassische Erziehung und den Dingen, die wir Kindern zumuten können, können getrost vergessen werden. Hier ist Individualität und der genaue Blick auf das Kind gefragt. Das bedeutet enorme mentale Arbeit für die Eltern, Glaubenssätze, Erwartungen und nicht zuletzt viele Vorstellungen vom Leben als Familie müssen neu gedacht oder überdacht werden. Dieser Prozess ist nicht nur schwer, sondern auch oft schmerzhaft. Wir malen uns unser Leben nach einer bestimmten Vorstellung von Familie und Zusammenleben und merken, dass diese ein Familienmitglied wortwörtlich krank macht.

Low Demand zu leben, kann für Familienmitglieder mit starken Einschränkungen und Entbehrungen einhergehen. Andererseits ist der Zustand, in dem die Kinder bei ständiger Überforderung sind, auch belastend für die gesamte Familie.
Viele Familien beschreiben das Zusammenleben mit dem (meist völlig ausgelaugten) PDA Kind als extrem Konflikt besetzt, unharmonisch und herausfordernd.

Die Bedürfnisse der anderen sollten dabei natürlich nicht vollkommen übergangen werden, dennoch lebt ein Kind mit einer Behinderung in der Familie, die nicht übergangen werden sollte, weil sie nicht so offensichtlich ist, wie beispielsweise eine körperliche oder geistige Behinderung.

Das alles hört sich im ersten Augenblick vielleicht negativ und aussichtslos an, aber die Veränderungen, die ein „Low Demand“ Leben mit einem PDA Kind bringen kann, bringen auf der anderen Seite vielleicht eine große Entlastung und oft sogar einen immer größer werdenden Spielraum, um Dinge zu tun, die lange unerreichbar scheinen.
Ein Kind, was Monate lang das Haus nicht verlassen wollte und jegliche Anforderungen verweigert hat, hat vielleicht sogar wieder genug Kapazitäten einen Ausflug mitzumachen.

Bis zu diesem Punkt ist es je nach Aktivierung des Nervensystems und der persönlichen Resilienz unter Umständen ein langer Weg.
Als Vergleich ist es bei Angsterkrankungen so, dass bei anhaltender starker Angst Veränderungen im Gehirn entstehen. Je länger eine starke Angsterkrankung anhält, desto sensibler reagiert das Nervensystem auf potenzielle Bedrohungen von außen.
Da PDA mit Angst und Panikreaktionen auf Anforderungen des täglichen Lebens einhergeht, ist ein Vergleich mit anderen Angststörungen meiner Ansicht nach nicht unangebracht.

Anders als bei einer klassischen Angsttherapie hilft Konfrontation hier nicht, um die Angst zu überwinden.
Auch bei autistischen Menschen, die nicht im PDA Profil sind, wird oftmals berichtet, dass Konfrontative Verhaltenstherapien in Bezug auf Angst nicht helfen und die Angst gegenteilig noch verstärken und festigen.
Bei PANDA und Low Demand soll das Nervensystem des Kindes entlastet, damit es Anforderungen überhaupt wieder ohne extreme Panikreaktion zulassen kann. Je regulierter das Kind ist, desto mehr Anforderungen kann es auch ohne starke Panik aushalten.

Es ist eine Investition in das Familienleben zunächst viel Verzicht und Einschränkungen in Kauf zu nehmen, denn erst so besteht die Möglichkeit einen Weg zu finden, in dem alle Familienmitglieder auf einem aushaltbaren Level leben. Je nach äußeren Bedingungen kann dieses Level variieren.
Zum Beispiel nach großen Veränderungen wie einem Umzug oder Schulwechsel kann zunächst wieder weniger Toleranz für Anforderungen gegeben sein. In dieser Zeit sollte die Erwartungen und Anforderungen wieder angepasst werden.

Das Leben mit PDA Kind bedeutet die genaue Beobachtung des Zustandes und auch ein Feingefühl für kleinste Veränderungen.

Eine Anpassung der Lebensumstände um passender für alle zu machen kann auch sehr helfen. Manche Familien ändern ihre wohnliche oder berufliche Situation, andere überdenken die Zeit der Kinder in Einrichtungen, Ausflüge, Urlaubsplanung oder andere Bereiche des Lebens.

Die Tolerant für Anforderungen variiert von Kind zu Kind sehr stark. Manche Kinder können einen Schultag bzw. Kitatag gut überstehen, für andere sind schon zwei Stunden in der Einrichtung zu viel. Manche Kinder fahren gerne in den Urlaub, für andere ist schon ein Ausflug in den Zoo kaum zu bewältigen. Und auch wenn es uns manchmal schwerfällt zu verstehen, dass diese Dinge zu viel für unser Kind sind und wir uns vielleicht auch eingesperrt oder extrem eingeschränkt fühlen ist es wichtig dies anzuerkennen.

Ein Leben ganz ohne Anforderungen ist unrealistisch und in unserer Gesellschaft nicht umsetzbar, aber ein Gleichgewicht zu finden, was eventuell unser Verständnis von Zumutbarkeit auf den Kopf stellt, ist wichtig. Der Gedanke, dass sich Low Demand für die gesamte Familie lohnen kann, ist hierbei manchmal das, was verzweifelten Familien Kraft gibt.

Ich werde in der nächsten Podcastfolge von unserem Leben und Erfahrungen vom Leben mit Low Demand berichten.

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