Neurodivergenz Tipps und Tricks

Kindliche Ängste

Kindliche Ängste

genau wie Bedürfnisse, werden Ängste bei Kindern häufig nicht ernst genommen, belächelt, bagatellisiert oder sogar bestraft. Bei Jungs noch schlimmer als bei Mädchen. Die Kinder „müssen da eben durch“. Sollen fürs spätere Leben abgehärtet sein. Sollen funktionieren.
Das ist absolut schädlich und meist auch traumatisch für die betroffenen Kinder. Aus Angst wird dann später entweder noch mehr Angst oder Wut. Ängste sollten immer ernst genommen werden. Auch wenn sie für dich vielleicht klein und unverständlich wirken, dürfen sie nicht bagatellisiert werden oder gar ins Lächerliche gezogen.
Viele neurodivergente Kinder haben Ängste.

Das kann verschiedene Ursachen haben. Sie maskieren sich vielleicht zu viel im Alltag, wollen sich anpassen und dazu gehören. Sie wollen Ärger und Kritik vermeiden und unterdrücken so ihr natürliches neurodivergentes Verhalten.
Aber auch starke sensorische Reize können Ängste auslösen.

Die Welt heute ist laut, hektisch, bunt und schnell und kann Menschen und besonders die ganz kleinen überfordern.
Auf diese Ängste einzugehen ist anstrengend und macht den Alltag komplizierter …das ist klar. Aber es lohnt sich für dich, aber auch dein Kind einerseits Rücksicht zu nehmen, andererseits auch daran zu arbeiten bzw. hinter die Fassade zu schauen.

Wenn euer Kind sehr viele und starke Ängste hat, die euer Leben massiv beeinflussen und das Kind leidet, solltet dringend ein Kinder Jugend Psychiater aufgesucht werden, dafür sind auch die besten Ratschläge nicht alleinig geeignet, da in diesem Falle, vielleicht etwas dahinter steckt, was nicht so einfach ausgemacht werden kann.

Einige Ängste sind häufig in der Kindheit, erledigen sich dann beim älter werden von selbst, wenn vorher liebevoll darauf eingegangen wird. Andere treten, wie oben beschrieben, bei starken Reizen auf, oder werden durch starkes Masking und Unsicherheiten im Umgang mit anderen begründet.

Dort ist es ratsam, das Kind zusätzlich zu stärken und ihm Möglichkeiten im Umgang mit anderen aufzuzeigen. Das kann auch gut in einem Training beim KJP oder einer Autismus spezifischen Förderung gelernt werden. Es gibt zusätzlich auch ganz tolle Kinderbücher und Spiele, die dieses Thema bearbeiten.

Ich möchte in diesem Beitrag einige, weit verbreitete Ängste aufgreifen und Lösungsvorschläge machen, wie ihr damit umgehen könnt. 

 

Angst im Dunkeln/Angst alleine zu sein

Wohl einer der am meisten verbreiteten Ängste in der Kindheit. Diese Angst ist natürlich und bei jedem Kind verschieden stark ausgeprägt. Ich habe den Eindruck, dass sie bei Neurodivergenten Menschen stärker ausgeprägt und häufig noch im Erwachsenenalter vorhanden ist.
Wir haben dafür eine Lampe über dem Bett angebracht, die nur wenig Licht abgibt, aber trotzdem an einer Position ist, wo sie keine gruseligen Schatten macht. Wir lassen sie automatisch um 19Uhr angehen und um 7:30Uhr wieder ausgehen.

Wir haben viel ausprobiert, doch nichts davon war ideal. Ein Nachtlicht war zu dunkel, ein Sternenhimmel hatte zu viele Reize und eine Nachttischlampe war zu hell.
Lampen mit Timer waren auch nicht gut, da das Kind immer im Dunkeln aufgewacht ist und erstmal Angst hatte, bis es das Licht wieder anmachen konnte.

Eine Lichterkette, mit wenig Licht könnte ich mir sonst noch gut in der Nähe des Bettes vorstellen. Dazu hört unser Kind abends noch Toniebox, da es die Stille beängstigend findet. Dazu gibt es natürlich noch viele Alternativen wie CD-Spieler, andere Kindersoundsysteme, Alexa usw.
Auch lassen wir das Rollo ein bisschen auf, das gibt unserem Kind zusätzliche Sicherheit. Zum Thema „Angst im Dunkel“ gibt es auch tolle Kinderbücher. Mein Kind mag besonders das Juniorbuch „Wenn es dunkel wird“ von Wieso weshalb warum. Dort wird auch ganz toll thematisiert, wie gruselige Schatten zustande kommen und was wirklich dahintersteckt.

Mein vielleicht bester Tipp ist in dem Fall aber, lasst die Kinder einfach bei euch schlafen. Das haben wir 9 Jahre auch so gemacht und es war am entspanntesten für alle. Mein Kind wurde nur irgendwann immer wieder von den kleineren Geschwistern wach und so konnten wir alle nicht gut schlafen. Auch heute schläft es besser, wenn es dann doch mal wieder bei uns ist, merkt dann aber schnell wieder, dass es zu wenig Schlaf bekommt.

Nachts alleine zu schlafen und überhaupt im Dunkeln alleine zu sein ist eine Urangst und machte früher auch Sinn. Da lebten wir nicht in sicheren Wohnungen und es war überlebenswichtig zusammenzubleiben. Ihr macht es euren Kindern, aber auch euch leichter, solange es für alle klappt. Ansonsten könnt ihr zusammen mit euren Kinder Monsterspray mischen und Stopp schilder fürs Zimmer oder Bett basteln.

Auch Zaubersprüche sind beliebt oder ganz simpel, das Bett unten so zu verschließen, dass man nicht mehr darunter kommt. Bücher über freundliche Monster oder Geister könnten auch hilfreich sein. Es ist auch nicht alleine die Angst im Dunkeln zu schlafen, sondern auch häufig sich überhaupt in der Dunkelheit in der Wohnung zu bewegen.
Ich kenne es, dass Kinder abends nicht mehr alleine auf die Toilette gehen möchten, oder nicht mehr in ihrem Zimmern spielen mögen.

Da ich trotzdem noch meine Sachen erledigen muss und auch noch weitere Kinder habe, die Betreuung benötigen, versuche ich dort Kompromisse zu finden. Ich mache dann eben erstmal die Aufgaben, die nahe dem Badezimmer oder Kinderzimmer sind, oder wir sind alle zusammen im Wohnzimmer und spielen zusammen, oder machen alle unser eigenes Ding. Ich bin generell dafür, sich alles so einfach wie möglich zu gestalten.

So muss sich am Ende niemand extrem einschränken, aber auch niemand Angst haben.  Zudem haben wir überall in der Wohnung (auch im Bad und auf den Fluren) LED Lichterketten mit Timer. So ist es nirgendwo dunkel, wir verbrauchen trotzdem nicht so viel Strom wie mit kleinen Lampen und es sieht wirklich toll aus.

 

Laute Geräusche/erschrecken

eine Angst, die ich ebenfalls bei Kindern und Erwachsenen sehe, dabei ganz besonders bei neurodivergenten Menschen. Dabei geht es meist um Geräusche, die plötzlich kommen, die erschrecken. Aber auch Gewitter, Feuerwerk und Baustellengeräusche. Bei einem meiner Kinder, war nach einem Erlebnis zu Silvester, besonders das Feuerwerk ein großes Problem. Wir haben dann Lärmschutzkopfhörer benutzt und auch Videos über Feuerwerk geschaut. Generell ist es grade bei autistischen Menschen immer eine gute Idee, Ängsten mit Wissen und Fakten zu begegnen. Ängste sind zwar irrational und manchmal können Fakten nichts an ihnen ändern, aber manchmal ist es eben doch beruhigend, die Sachlage zu kennen. Sie lernen auch, wann bei Gewitter mit dem Donner zu rechnen ist, oder wie schnell nach Raketenstart, das Knallen entsteht.
Ansonsten hilft bei Geräuschen vor allem, das Vermeiden wenn es nicht möglich ist, hilft ein Lärmschutz. Der kann verschieden aussehen durch Lärmschutzkopfhörer, Inearkopfhörer oder Musikkopfhörer mit den Lieblingsliedern oder Geschichten. Bei Erwachsenen sind auch die Earloops sehr beliebt, da sie dämpfen und trotzdem noch Unterhaltungen möglich sind. Luftballons sind bei dieser Angst übrigens eines der häufigsten Dinge, neben Gewitter und Feuerwerk.
Tastet euch am besten zusammen an eine Lösung ran, die für euch passt. Wir hatten sogar eine Zeit, wo unser größtes Kind im Einkaufswagen mit Tablet und Kopfhörern saß, um ihn schützen zu können.

 

Insekten

Hier sind es ganz besonders Wespen, die bei vielen neurodivergenten Kindern für große Angst sorgen. Aber auch fliegende Insekten wie Motten, Schnaken, Maikäfer usw., weil sie schnell und unberechenbar sind. Wir können zur Hochsaison von Wespen teilweise nur sehr beschränkt das Haus verlassen aufgrund der Angst eines unserer Kinder. Wir haben deswegen ganzjährig Fliegengitter in unseren Fenstern, damit so wenig wie möglich Insekten in die Wohnung kommen.
Bei den Wespen haben wir versucht im Spätsommer Orte zu meiden, wo es viel Essen und Mülltonnen gibt, wie den Zoo oder das Schwimmbad. Auch bei Spielplätzen haben wir eher weitläufige im Wald ohne Wasser gewählt. In der schlimmsten Phase haben wir dem Kind einen Imkerhut gekauft, und lange Kleidung angezogen, was aber auch nur bedingt geholfen hat. Wir haben uns Videos über Wespen angeschaut, wann und wie sie stechen, wo sie leben und wie man sie gewaltlos verscheucht. Da hat meinem Kind besonders die Information geholfen, dass man mit einer Wassersprühflasche in ihre Richtung sprühen muss (nicht direkt auf das Tier), damit sie denken, dass es anfängt zu regnen.
Bei anderen Insekten hilft ein Insektenfänger. Das ist eine lange Stange mit Griff und einer Kugel an der Spitze, die man öffnen und schließen kann. So können die Kinder, die Insekten selber fangen und freilassen, ohne zu nah kommen zu müssen. Sie können sie auch zusätzlich noch in einem Lupenglas genau anschauen. Das kann auch Ängste in diesem Zusammenhang lösen.
Für den Umgang mit Ängsten, ist es außerdem wichtig, wie wir unseren Kindern begegnen. Sätze wie „ist doch gar nicht so schlimm“ „Du brauchst keine Angst zu haben“ und „ist doch gleich vorbei“ sind bestimmt lieb gemeint, helfen aber nicht. Im Gegenteil, sie geben dem Kind das Gefühl, dass ihre Gefühle zu viel sind, übertrieben und nicht angemessen. Es ist richtig, dass Ängste „übertriebene“ Gefühle auslösen. Also, dass es oft Situationen oder Dinge sind, vor denen der Mensch in der Regel keine Angst haben muss, dennoch ist es für diesen Menschen eben Realität und muss so ernst genommen werden, wie es für diesen Menschen eben ist. Das heißt nicht, dass nicht daran gearbeitet werden kann oder sollte. An vielen Ängsten kann man liebevoll arbeiten und sie oft auch auflösen, manche erledigen sich mit zunehmendem Alter und andere müssen wiederum vom Therapeuten behandelt werden.

Trennungsängste

Grad bei neurodivergenten Kindern, ist dies ein großes Thema. Absolut verständlich, wenn man bedenkt, dass die Welt für sie noch lauter, heller und verwirrender ist, als für neurotypische Kinder. Oft sind sie sehr stark an ihre Bezugsperson(en) gebunden. Im Alltag wird das nicht selten als negative Eigenschaft gewertet. Eltern bekommen Vorwürfe, sie können sich nicht löse, was für Eltern, die Entlastung dringend benötigen, wie ein Schlag in die Magengrube ist. Ja, es ist auch Vertrauen in die Erzieher*innen und in die Einrichtung nötig, aber es ist eben noch mehr. Hier ein paar Tipps von mir als Mutter und Fachfrau. In den folgenden Tagen werde ich euch auch Schritte zur Angstdeutung und Methoden zur Bewältigung an die Hand geben. Manchmal ist es nur eine Kleinigkeit, die helfen kann, dass euer Kind sich letztlich doch trennen kann. Wenn ihr Ergänzungen habt, teilt sie mir gerne mit. In den Kommentaren, oder als Nachricht. Ich möchte euch zu diesem Thema, auch das Buch „In guten Händen“ von Nora Imlau ans Herz legen. Ich finde, dass dies ein Buch ist, was auch gut auf neurodivergente Kinder bzw. Familien passt.
Meiner Meinung ist dies eine der schwierigsten Ängste. Nicht nur für das Kind, sondern auch für den Begleitenden Erwachsenen. Es gibt Kinder, die leiden sehr und ihre Eltern gleich mit.
Wichtig ist es, dem Kind Vertrauen zu vermitteln.
Einmal das Vertrauen in das Kind selber. Das Kind kann es schaffen und wenn ich daran glaube und das mit jeder Faser meines Körpers ausstrahle, dann wird auch das Kind dies merken und übernehmen. Bei Neurodivergenten Kindern ist diese Angst oft sehr groß und ausgeprägt, aber auch sie profitieren definitiv von dieser Ausstrahlung.
Fast genauso wichtig ist aber auch, dass du dem Kind das Gefühl gibst, dass du den Menschen, an die du es abgibst, vertraust. Nehmen wir die Erzieher*innen in der Kita. Wenn ich selber zweifele, oder ihnen oder der Einrichtung nicht vertraue, merkt das dein Kind. Es kann so einfach kein Vertrauen fassen. Ich weiß, dass das schwer ist. Mir selber fiel und fällt es echt schwer, aber es ist nötig. Vertrauen ist einer der großen Schlüssel bei dieser Art der Angst. Zudem ist auch eine gute Eingewöhnung wichtig. Dabei ist egal, ob in der Kita oder dem Babysitter.
Sogar eine Eingewöhnung bei der Oma etc. kann sinnvoll sein. Diese sollte wirklich in sehr kleinen Schritten erfolgen. Eine Trennung macht erst dann Sinn, wenn das Kind genügend Vertrauen zu den Erzieher*innen hat, dass es sich von diesem trösten lassen würde und sie ihm den nötigen Rückhalt geben. Wenn eine zu frühe Trennung erfolgt, kann das fatale Folgen haben und eine Eingewöhnung erstmal unmöglich machen. Oft muss dann eine lange Pause gemacht werden, bis ein neuer Versuch starten kann. Ich weiß, der Druck ist oft groß und die Geduld irgendwann klein, aber es lohnt sich so sehr und begleitet euch danach bestenfalls ein paar Jahre.
Nach etwa 3 Wochen, gibt es dann oft einen kleinen Rückschritt, bei dem dann doch manchmal noch etwas Unterstützung gefragt ist. Ich habe in dieser Zeit dann zum Beispiel in der Garderobe gesessen, bis mein Kind mich gehen lassen konnte. Das hat erst 10min gedauert, später dann gefühlte 10 Sekunden.
Generell habe ich immer gesagt, ich lasse mein Kind niemals weinend in der Einrichtung. Ich hatte diesen Fall auch zum Glück noch nie, aber durch gute Artikel und Expert*innen Meinungen, bin ich auch dort zu dem Schluss gekommen, dass es auf die Situation ankommt. Wenn ich darauf vertrauen kann, dass die Erzieher*innen, so eine gute Bindung haben, dass sie mein Kind in kürzester Zeit beruhigen können, sind Tränen beim Abschied in Einzelfällen vertretbar.
Was vielen Kindern gut hilft, sind klare Absprachen. Beispielsweise, wann du dein Kind abholst, oder wie der gesamte Tagesverlauf aussieht. Das gibt dem Kind Sicherheit. Zusätzlich gibt es noch viele kleine Tipps und Details, die hier aber den Rahmen sprengen würden. Wenn Interesse an einem kompletten Beitrag über Trennungsängste besteht, schreibt mich doch an und gebt mir Rückmeldung.

 

Verlustängste

Im Prinzip, die Weiterentwicklung der Trennungsangst bei älteren Kindern. Nicht dasselbe, aber diese Ängste ähneln sich sehr. Wodurch diese Angst ausgelöst wird, ist vielfältig. Oft entsteht diese Angst bei Kindern, aber durch das Gefühl nicht gut und richtig zu sein. Furchtbare Worte, aber ich denke, sie beschreiben schon ganz gut, was das Kind denkt. Grad Kinder mit ADHS bekommen in ihrer Kindheit 20000-mal mehr Kritik als neurotypische Kinder. Da ist es nicht verwunderlich, wenn sie den Fehler bei sich suchen und davon ausgehen, dass sie nicht liebenswert genug sind. Wenn dann auch Verwandte und Bekannte, das Gefühl geben, das Kind nicht anzunehmen oder gar abzulehnen, ist das fatal für den Selbstwert und das Sicherheitsgefühl. Kita und Schule geben oft dann noch den letzten Teil, durch Verweise und Suspendierungen und der Einstellung, das Kind nicht in der Einrichtung haben zu wollen. Aber auch die Bindung zum Kind in der Babyzeit kann dazu beitragen. Ein Kind, was sicher gebunden ist und ein solides Urvertrauen aufgebaut hat, bekommt nicht so schnell diese Art der Ängste, wie eines, das kein Urvertrauen aufbauen konnte. Verluste von nahen Verwandten, oder die Trennung der Eltern ist auch ein Faktor. Kinder neigen dazu, die Schuld zuerst bei sich selber zu suchen. Helfen, kann also eine sichere Bindung zum Kind und die Stärkung des Selbstbewusstseins. Sag deinem Kind regelmäßig, wie sehr es gewollt ist, wie sehr du es liebst und wie froh du darüber bist, dass es geboren wurde. Gib ihm Nähe und Geborgenheit und nimm seine Bedürfnisse, Gedanken, Gefühle und Ängste immer ernst. Gibt ihm eine Stimme, lass es selber Dinge entscheiden und beschäme und bestrafe es nicht. Ich gebe ja immer gerne Beispiele aus meinem Leben, weil mein Gehirn ständig im Problemlösemodus ist und ich durch Erfahrungen, Lösungen schaffen möchte. Deswegen kann ich auch hier ein Beispiel aus meinem Leben nennen. Es ist nämlich durchaus möglich, diese Ängste wieder loszuwerden, selbst mit über 30. Ich hatte selber starke Verlustängste, die sich am meisten in Beziehungen gezeigt haben. Nun bin ich mit einem Mann verheiratet, der mir, schon fast auf absurd positive Art und Weise, das Gefühl gibt, dass es kaum etwas auf der Welt gibt, was ich tun könnte, was ihn verjagen würde. Und das ist auch so, ich habe es oft unbewusst getestet. Meine Verlustängste, sind über die Jahre durch diese bedingungslos aufdringliche Art und Weise fast gänzlich verschwunden. Es lohnt sich dabei zu bleiben, auch bei unseren Kindern. Gebt ihnen, das Gefühl und sagt ihnen, dass es nichts auf der Welt gibt, was eure Liebe zerstören würde.

 

Soziale Ängste

Auch ein riesiges Thema bei neurodivergenten Menschen. Gruppensituationen, Mannschaften im Schulsport, Freundschaften, Hobby, alles kann beeinträchtigt sein. Das liegt daran, dass neurodivergente Kinder schon sehr früh merken, dass sie anecken, soziale Regeln und deren Ausnahmen nicht verstehen und generell ein Problem haben, versteckte Botschaften, Ironie und indirekte Mitteilungen zu verstehen. Dadurch wirken sie auf andere oft seltsam, oder naiv, vielleicht sogar begriffsstutzig, obwohl das absolut nicht der Fall ist. Ausgrenzung und Mobbing ist ein sehr verbreitetes Thema in diesem Bereich. Viele neurodivergente Menschen, lernen in ihrem Leben, wie man Ironie, Mimik, Gestik und Sprachklang deutet und manche werden sogar echte Profis. Das ist zwar hilfreich in Gruppen zurechtzukommen, führt aber oft zu starken Masking. Ich selber hatte mein Masking irgendwann so perfektioniert, dass die Menschen um mich herum aus allen Wolken (Redewendung) gefallen wären, wenn sie geahnt hätten, was ich für starke soziale Ängste und Unsicherheiten hatte und habe. Betroffene Skripten ganze Konversationen und bereiten sich präzise auf bestimmte Situationen vor. Auch beim Telefonieren ist das häufig so. Es gibt allerdings auch viele Kinder, die so stark betroffen sind, dass sie sich im sozialen Bereich überhaupt nicht zurechtfinden und deswegen immer wieder in ungewollte Konflikte geraten. Sie verstehen oft gar nicht, was das Problem ist und was sie anders machen könnten. Sie werden dann ausgegrenzt, oder ziehen sich selber zurück. Das kann zu Einsamkeit und noch mehr Ängsten führen. Wie können wir unseren Kindern also, bei diesen Dingen helfen? Auch hier ist die Stärkung des Selbstbewusstseins ein wichtiger Teil. Auch eine Autismus spezifische Förderung, oder ein soziales Kompetenztraining in Gruppen beim KJP kann helfen. Ich persönlich versuche meinen Kindern zu vermitteln, dass es sehr wichtig ist Fragen zu stellen, wenn sie etwas nicht verstehen, auch wenn es um soziale Dinge geht. Wenn man dies selbstverständlich und selbstbewusst macht, ist die Angriffsfläche kleiner und eventuell können auch Missverständnisse vermieden werden. Lebt euren Kindern ein möglichst gesundes Sozialverhalten vor, wenn euch das möglich ist. Zeigt ihnen, wie man Konflikte löst und wie man sich in Streitsituationen verhalten kann. Besprecht mit euren Kindern Situationen, die ihnen Angst machen und wie sie reagieren könnten. Vielleicht können einige Situationen sogar gespielt werden, zu Übungszwecken. Alles ist gut, wenn es hilft.

Schritte, mit kindlichen Ängsten umzugehen

Die Ängste kennenlernen

Nur, wenn du weißt, was genau die Angst deines Kindes ist, kannst du mit ihm daran arbeiten. Je nach Alter ist entweder deine genaue Beobachtungsgabe gefragt, oder dein Kind kann seine Angst vielleicht genau beschreiben. Wenn es sich nicht so gut verbal äußern kann, kann es dir vielleicht zeigen, wovor es Angst hat. Ihr könntet es auch spielerisch durch Basteln oder malen darstellen, was deinem Kind Angst macht. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit Collagen gemacht. Wir haben dann zu verschiedenen Punkte gemalt (Was macht dir Angst, was macht dir Mut) und eine Gegenüberstellung auf ein Plakat geklebt. Das hat uns dann visuell auch in den Situationen sehr geholfen. Oder ihr erzählt zusammen eine Geschichte und findet quasi nebenbei durch gezielte Fragen heraus, was dem Kind Angst macht. Ihr könntet zum Beispiel ein Märchen erfinden, wo der Hauptdarsteller Angst hat (am besten natürlich eine ähnliche Situation konstruieren) und das Kind wirkt mit, indem es sagt, wovor der Hauptdarsteller Angst hat usw. Das klappt allerdings nicht bei jedem Kind und grade bei neurodivergenten Kindern musst du schauen, ob das für dein Kind überhaupt infrage kommt. Bei mir unterscheidet es sich auch von Kind zu Kind.

Ängste nicht verstärken

Angst wächst, wenn man ihr permanent aus dem Weg geht. Auch das Kind zu bedrängen, oder seine Angst einfach zu ignorieren verstärkt die Angst. Auch das bagatellisieren und lächerlich machen über die Ängste des Kindes, bewirkt eine Verstärkung. Bei Neurodivergenten Kindern, muss aber natürlich immer abgewogen werden, ob es nicht doch Situationen gibt, die generell vermeidbar sind, denn herkömmliche Angsttherapien sind nur teilweise anwendbar. Manche Dinge machen ihnen Angst, egal was man macht. Da ist es nicht angebracht, sich absichtlich in diese Situationen zu begeben.

Die Angst annehmen

Wenn die Angst nun einen Namen hat, kann sie besser vom Gehirn eures Kindes angenommen werden, denn erst dann wird die Amygdala (der Bereich, der für Angstsymptome verantwortlich ist), gehemmt Dies ist die wichtigste Voraussetzung dafür Ängste zu bewältigen. Wenn ich weiß, womit ich es hier zu tun habe, sind die Schritte, etwas dagegen zu tun sehr viel einfacher.

Vorbereitung und Prävention

Es ist wichtig, mit dem Kind über die Ängste zu sprechen und zusammen mit ihm Wege zu finden, mit der Angst umzugehen. Ich nehme da immer gerne das Beispiel meines Sohnes mit dem Imkerhut. Er wollte das Haus nicht verlassen, weil er starke Angst vor Wespen hat. Mit dem Imkerhut fanden wir eine Möglichkeit, uns der Situation, ohne besondere Gefahr auszusetzen und trotzdem zu üben. Es gibt eine Menge Methoden, das Kind gut für den Umgang mit Ängsten vorzubereiten. Diese werde ich am Anschluss vorstellen. Wichtig ist es, dass das Kind nicht schutzlos ist, wenn die Angst auf ihn zurollt und auf alle Eventualitäten vorbereitet ist. Als Angstpatient, kann ich diesen Punkt wirklich dick unterstreichen, es hilft.

Erfolge feiern

Die Erfolge des Kindes sollten gesehen und gefeiert werden, egal wie klein sie sind. Wer sich gesehen fühlt, wird schneller Mut finden, weiter zu machen.

 

Methoden zur Angstbewältigung

Rituale

Situationen, die Angst machen, können mit positiven Ritualen verknüpft werden. Die angstbesetzten Situationen, werden dadurch zu einem positiven Erlebnis und werden nicht mehr so negativ bewertet. Du könntest zum Beispiel nach jedem Haarewaschen, mit dem Kind eine Kuschel und Lesestunde im Bett machen. Oder nach jedem Arztbesuch ein Picknick im Wohnzimmer. Der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt.

Rollenspiele

Ist nicht bei jedem Neurodivergenten Kind möglich, aber einige können das für konkrete Situationen mit genug Anregung auch umsetzen. So könntest du zum Beispiel eine Arztsituation mit dem Kind nachspielen, oder wie bei sozialen Ängsten schon erwähnt, mit größeren Kindern eine soziale Situation nachspielen oder vorbereiten.

Märchen/Geschichten/Bücher

Vielen Kindern hilft es, wenn sie nicht direkt über sich reden müssen, sondern ihre Empfindungen durch Geschichten ausdrücken, oder auch bearbeiten können. Das klappt natürlich auch mit Kinderbüchern, die zum Thema passen. Ich habe zum Beispiel, ein ganz tolles Buch, was beschreibt, wie die Angst immer größer wird, bis gar nichts mehr geht und dass alle Menschen Ängste haben. Ich habe das Gefühl, dass neurodivergente Kinder häufig besonders gut auf Geschichten in diesem Zusammenhang anspringen.

Kreativ gestalten

Ihr könntet die Angst auch in einem Bild oder einer Collage darstellen und diese dann auch kreativ lösen. Ich mag beispielsweise bei meinen Kindern gern Collagen, die Problem und Lösung gegenüberstellen, oder Angst machende und Mut machende Dinge. Aber auch durch Bilder können Kinder ihre Gefühle gut zum Ausdruck bringen, wenn sie mögen. Dies ist auch eine gute Möglichkeit für Kinder, die gar nicht oder nicht sehr gut sprechen.

Bewegung

Gegen Angst hilft Bewegung ganz klasse. Auch in Situationen, wo dein Kind Angst hat, kannst du es motivieren sich zu bewegen. Das hilft auch dem Gehirn sich zu regulieren, Viele Menschen bewegen sich instinktiv, wenn sie starke Angst verspüren. Das hängt mit dem Fluchtinstinkt zusammen. Sport stärkt zudem das Selbstbewusstsein und ist für Kinder mit ADHS eine super Dopamin Quelle.

Hier noch ein kleiner Bonus, den ich euch als neurodivergenter Mensch mit Ängsten ans Herz legen möchte. Hier könnt ihr Einblicke in die Sicht auf Angst, von einem Betroffenen bekommen.
Angst begleitet mich schon mein ganzes Leben. Angst, alleine zu sein. Angst im Dunkeln, Angst vor Insekten, Angst vor kleinen Räumen, Angst zu versagen, Angst Fehler zu machen, Angst den Verstand zu verlieren, Angst Menschen die ich liebe zu verlieren, Angst mich zu blamieren, Angst vor Reisen, Angst vor der Angst.
Immer wurde mir gesagt, ich wäre eben ängstlich. Ich wäre psychisch krank. Ich hätte PTBS, ich hätte eine Angsterkrankung, ich müsse mich nur mehr anstrengen, dann könnte ich meine Angst auch loswerden.
Durch die gute Aufklärung hier in den sozialen Medien, die unendlichen Möglichkeiten der Recherche im Internet und meiner Gabe zur Selbstreflexion, weiß ich nun, dass ich das eben nicht bin. Ich bin nicht ängstlich. Eigentlich bin ich ziemlich mutig. Oft sogar etwas risikofreudig. Dass was mir Angst macht, ist, dass mir die Welt da draußen zu viel ist. Die Menschen und ihre sozialen Konstrukte. Die Enge und die Reizüberflutung. Die Erwartungen der anderen Menschen, die ich nicht verstehe und nicht erfüllen kann. Die Angst, wieder einmal zu viel zu sein. AnzuEcken, ohne es zu wollen, nicht dazuzugehören und mich wieder maskieren zu müssen. Erst hat diese Erkenntnis mir noch viel mehr Angst gemacht, aber je mehr ich es zulasse und anfange zu sein, wie ich bin, desto mehr gerät diese Angst in den Hintergrund. Verliert an Macht. Je mehr ich mir mein Leben an mich anpasse, desto freier werde ich. Ja, ich habe sicherlich in den Jahren eine Angsterkrankung entwickelt, aber das bin nicht ich, das ist etwas, was dazu gekommen ist, weil ich mein Leben lang versucht habe zu sein, wer ich nicht bin. Und genau das will ich meinem Kind ersparen. Es darf Angst haben, aber es ist nicht seine Angst

 

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